Wirtschaftliche Verflechtungen analysieren mit hin&weg

Balkendiagramme, Tabellen, Statistiken – Standards in der Wirtschaftsforschung. Aber Sankeys, Chords, Zeitreihen und Karten? Die Visualisierung von Handelssummen und Handelssalden für ein einzelnes Jahr leistet fast jedes Datenverarbeitungsprogramm. Die Darstellung von Handelsverflechtungen ist hingegen komplex, selten und in der Kommunikation umso wichtiger.

Herausforderung Komplexität

In den vergangenen Jahren zeichnet sich ein deutliches Muster ab: Die Diskussion über wirtschaftliche Verflechtungen und Handelsketten hat immer dann Konjunktur, wenn diese gestört und problematische Abhängigkeiten sichtbar werden – während der Brexit-Verhandlungen, Corona oder dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Ein möglicher Grund ist, dass die Analyse und Veranschaulichung von Handelsverflechtungen alles andere als trivial ist. Kleine Maßstäbe können über Matrizen beschrieben, größere Verflechtungen über Diagramme oder Karten visualisiert werden. Beides bringt jedoch Nachteile mit sich. 

Matrizen sind bei mehreren Ländern und Jahren schnell so umfangreich, dass sie als Kommunikationsmittel unbrauchbar werden. Karten und Diagramme sind in Einzelfällen eine gute Lösung, setzen aber Fachwissen voraus, sind in der Regel statisch auf ein Land bezogen und in der explorativen Analyse nur bedingt einsetzbar. 

Mit diesem Problem steht die Ökonomie jedoch nicht allein da. Wanderungen und Pendelverflechtungen bergen die gleichen Herausforderungen, was es erlaubt, dieselbe Lösung für beide Themenkomplexe zu verwenden: hin&weg. Mit der bei uns am Leibniz-Institut für Länderkunde entwickelten Software lassen sich komplexe Matrizen von Verflechtungsdaten räumlich verknüpfen, erforschen und visualisieren. Der Nutzen für ökonomische Analysen sei im Folgenden am Beispiel (russischer) Erdgasimporte illustriert.

Anwendungsbeispiel Gasimporte

Um den europäischen zu Gashandel analysieren, benötigt man zuerst passende Daten; für dieses Beispiel wurden frei verfügbare Statistiken von Eurostat und dem BP-Statistical Review of World Energy genutzt. Handelsdaten können je nach Anwendungsfall auch über die WTO, FAO, Destatis und andere Quellen bezogen werden. Zusätzlich wird eine Shape-Datei der entsprechenden Länder benötigt, welche weltweit z. B. über die Weltbank verfügbar ist. Aus dieser müssen dann nur noch die Länder ausgewählt werden, die auch in den Handelsdaten vertreten sind, und in ein passendes Format transponiert werden. Ausführliche Anleitungen dazu bieten sowohl das hin&weg-Wiki und unsere Video-Tutorials.

Einmal eingeladen in hin&weg, kann die explorative Datenanalyse beginnen. Dabei bietet hin&weg zahlreiche Vorteile. So kann per Klick oder Auswahl schnell zwischen verschiedenen Ländern gesprungen und damit der Unterschied zwischen Staaten mit LNG-Terminals (z. B. Frankreich) und solchen ohne (Deutschland) verdeutlicht werden (Abbildung 1).

Abbildung 1: Gasimporte nach Deutschland (oben) und Frankreich (unten) nach Herkunftsland in Prozent der gesamten Gasimporte 2020; Quelle: Eurostat

Die Jahresauswahl erlaubt die Kumulation mehrere Jahre, um Verzerrungen vorzubeugen, oder die Auswahl einzelner Jahre zum Erkennen von Trends. Der Wechsel bzw. die parallele Anzeige eines Sankey-Diagramms unterstreicht die Erkenntnisse aus der Kartenansicht (Abbildung 2).

Animation der deutschen Gasimporte nach Herkunftsländern in Prozent der gesamten Gasimporte in Jahresschritten 2012–2020 (Karte und Sankey-Diagramm nebeneinander)
Abbildung 2: Animation der deutschen Gasimporte nach Herkunftsländern in Prozent der gesamten Gasimporte in Jahresschritten 2012–2020. Datenquelle: BP-Statistical Review of World Energy

Entwicklungen erkennen und vermitteln …

Ganz konkret lässt sich mit hin&weg die zunehmende Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas ebenso illustrieren wie die Abnahme dieser Abhängigkeit in Litauen nach Fertigstellung eines LNG-Terminals im Jahr 2014 (Abbildung 3). Damit ermöglicht hin&weg nicht nur die Analyse bestehender Trends, sondern auch deren Vermittlung – auch ganz ohne Krisen.

Animation der Gasimporte nach Litauen nach Ländern in Prozent der Gesamtimporte in Jahresschritten 2010–2020
Abbildung 3: Animation der Gasimporte nach Litauen nach Ländern in Prozent der Gesamtimporte in Jahresschritten 2010–2020. Datenquelle: Eurostat

… kostenlos und Open Source

hin&weg ist eine kostenfreie Open-Source-Software. Zum Download geht es hier, den Code finden Sie auf unserer Github-Seite. Technische Hinweise zur Nutzung von hin&weg für ökonomische Analysen finden Sie hier.

Hin&weg für Wirtschaftsanalysen

In seiner Anlage eignet sich hin&weg sehr gut für Analysen jenseits von Wanderungen und Pendelverflechtungen – beispielsweise für Im- und Exporte, Direktinvestitionen und Lieferketten. Um das ursprünglich für Wanderungsanalysen entwickelte Programm für ökonomische Zusammenhänge zu verwenden bedarf es einige Besonderheiten zu beachten:

Sprachehin&weg wir mit einem deutschen und englischen Sprachpaket ausgeliefert. Diese verwenden überwiegend allgemeines Vokabular wie „Von“ oder „Nach“, stellenweise jedoch auch „Wanderungen“ u.ä.. Um Abbildungen aus hin&weg direkt weiterzuverwenden bietet es sich daher an die Labels für das jeweilige Feld anzupassen (z.B. „Exporte“, „Importe“,…). Das Vorgehen wird in diesem Abschnitt des Wikis erläutert.

Berechnungenhin&weg bietet die Option an Bestandsdaten als Referenz einzubinden. So können z.B. Exporte als Anteil am BIP oder den gesamten Exporten dargestellt und analysiert werden. Der zugrunde liegende Algorithmus wurde ursprünglich für Wanderungsraten angelegt. Diese werden jedoch je 1000 (Einwohner) berechnet und nicht je 100 (Prozent) wie bei anderen Anwendungsfällen üblich. Das Problem lässt sich leicht beheben, indem die Basis (z.B. das BIP) vor dem Import mit zehn multipliziert wird. Weitere Informationen zur Nutzung von Prozentangaben in hin&weg finden Sie hier im Forum.

Dezimalzahlenhin&weg verarbeitet als Input keine Dezimalzahlen, da dies bei unterschiedlichen Spracheinstellungen der NutzerInnen zu Verwirrungen mit den Trennzeichen der CSV-Datei führen könnte. Werden dennoch Dezimalzahlen importiert, so wird der Teil nach dem Komma abgeschnitten – es wird nicht gerundet. Um Probleme durch diese Einschränkung zu umgehen, können Daten entweder vor dem Import gerundet werden oder alternativ kann die Einheit entsprechen angepasst werden. Beispielsweise bietet es sich an 1 750 Tausend Kubikmeter auszuweisen statt 1,75 Millionen Kubikmeter. 

Open Sourcehin&weg steht als Open-Source Programm Interessierten und EntwicklerInnen vollumfänglich für deren Anpassungen auf Github zur Verfügung. Die hier beschriebenen Besonderheiten beziehen sich auf die Standardversion von hin&weg 2.1. Es kann selbstverständlich eine angepasste Version für Wirtschaftsanalysen angelegt werden, um die Einschränkungen zu umgehen und allen Nutzenden einen Mehrwert zu bieten.